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Kleiner Nachtrag zum "Werkstattgeplauder"

19.11.2015

Guten Tag, Herr Mai,
es war so ein unterhaltsamer Abend und Sie haben so interessant und intelligent mit Herrn Stock geplaudert und trotzdem blieben noch ein paar Fragen unbeantwortet….

Herr Mai, auf unseren Büchertisch lagen Bücher von Klaus Rüdiger Mai, Nicholas Lessing und Sebastian Fleming. Wie kommt es dazu?

 

In Deutschland haben wir ja hohe Berge und tiefe Täler, am tiefsten sind aber die Schubladen, in denen man heillos verschwinden kann. Ich hatte schon ein paar Sachbücher geschrieben, bevor ich meinen ersten Roman verfasste. Und um da nicht mit dem Vorurteil konfrontiert zu werden, dass Sachbuchautoren keine Romane schreiben können, haben der Verlag und ich beschlossen, dass ich in der Belletristik neu als Autor und zwar unter einem Pseudonym starte. Der Verlag, bei dem ich Sachbücher veröffentlicht hatte, wünschte sich auch Romane von mir, aber unter einem eigenem Pseudonym, so kam es zu zwei Pseudonymen. Für mich war das nie ein Problem, weil ich mich als Schriftsteller sah, der Sachbücher und Romane veröffentlicht.

 

Allerdings musste ich lernen, dass es nicht immer so ganz einfach ist mit einem Pseudonym zu leben. So klingelte einmal die Postfrau an meiner Tür und übergab mir ein Paket. Als ich mich verabschieden wollte, verharrte sie unsicher. Sie hätte noch ein Paket, die Adresse stimmt, aber nicht der Namen, und zwar für einen Sebastian Fleming. Ich lächelte und erklärte ihr, dass ich das auch sei. Sie trat merklich verunsichert einen Schritt zurück. Obwohl ich ihr dann das Pseudonym erläuterte, sah sie mich noch einige Zeit etwas seltsam an. Und ich war froh, dass sie an diesem Tag nicht noch ein Paket für Nicholas Lessing hatte.

Als ich wegen einer Lesung in ein Hotel eincheckte, suchten wir eine ganze Zeit nach meiner Buchung, bis ich darauf kam, dass die Buchhandlung unter meinem Pseudonym gebucht hatte.

 

Herr Mai, Sie leben mit Ihrer Frau und 10jährigen Tochter bei Berlin, wie müssen wir uns Ihren alltäglichen Arbeitstag vorstellen?

 

Ziemlich einfach und für manche sicher auch eintönig. Ich beginne wochentags um 7 Uhr an  meinem Schreibtisch und arbeite bis 15 Uhr durch, dann hole ich meine Tochter von der Schule ab, da sie gefahren werden muss. Um 18 Uhr bereite ich dann ein warmes Abendbrot zu, Pasta oder Gemüse oder Fisch mit Gemüse etc., alles ein wenig italienisch, und dann essen wir zusammen und plaudern über den Tag. Abends wird noch etwas gelesen, dann der Schlaf genossen, denn morgens um 5.30 Uhr klingelt unerbittlich der Wecker. Sonnabends schreibe ich auch, leiste mir aber den Luxus, erst um 9 Uhr anzufangen.

 

Herr Mai, Sie sind ein "gelernter DDR- Bürger ", Sie entstammen (soviel ich weiß) auch nicht einer theologischen Familie, trotzdem setzen Sie sich sehr stark mit Religion auseinander. Warum ist das so ein bestimmendes Thema für Sie?

 

Ich hatte an dem Abend bereits angedeutet, dass es für mich ein weiter Weg war. Meine Eltern waren aus der Kirche ausgetreten und sie besaßen biographisch gute Gründe dafür. Wir sind mit dem Glauben an den Sozialismus groß geworden. Doch dieser Glauben bekam für mich schon an der EOS Risse, denn nicht nur, dass die Realität nicht mit dem offiziellem Bild übereinstimmte, stieß ich bei der Lektüre von Christa Wolf und Louis Aragon auf Ereignisse wie bspw. die Moskauer Prozesse, die mit dem offiziellem Geschichtsbild nicht übereinstimmten und zudem nicht einmal erwähnt wurden. Ich musste erkennen, dass ich systematisch belogen wurde. Vielleicht ist deshalb für mich der Begriff der Wahrheit so wichtig. Ich habe mich während des Studiums intensiv mit dem Stalinismus auseinandergesetzt und konnte das auch, weil meine großartigen Professoren einen „wissenschaftlichen Verwendungszweck“ ausstellten,  grob gesagt: ich durfte im Studium lesen, was ich wollte – und das nutzte ich auch aus. Meine philosophischen und meine historischen Studien, aber auch meine Erfahrungen haben mich dahin geführt, dass ich mich taufen ließ und bin heute Mitglied der Friedenskirchengemeinde in Potsdam. Wie gesagt, es war ein langer Weg.

 

Herr Mai, Sie haben gerade die Dürer Biografie abgeschlossen, gibt es  schon ein neues Projekt?

 

Es gibt Projekte, die bereits fest vereinbart sind, aber ich rede erst darüber, wenn der Verlag sie in seinen Vorschauen publiziert: eine eiserne Regel von mir. Sie wissen doch, die Vögel, die zu früh singen, holt die Katze.

 

Herr Mai, ich bedanke mich im Namen der Leser recht herzlich für unser „Gespräch“.

(Herr Mai hat die Fragen schriftlich beantwortet.)